
8. September 2021 - Ålesund
Die Wettervorhersage aus AIDAheute war nicht gerade prickelnd. Der Grund, dass ich am Vorabend nicht den Wecker gestellt hatte, um die Inseldurchfahrten und das Einlaufen in den Hafen zu beobachten. So wurde ich irgendwann wach und … unsere AIDAmar lag schon festgetäut am Kai.
Ich hatte das Anlegen verpennt … Aber das war nicht so schlimm, denn Petrus hatte die normalen Bergen-Verhältnisse auf Ålesund übertragen … Es regnete ein wenig … und das, was ich von der Steuerbordseite aus sah, trug nicht gerade zur Hochstimmung bei …
Na ja, die Stimmung besserte sich, denn wir strebten zu den Töpfen. Frühstück! In netter Runde und das tat richtig gut. So gut, dass wir anschließend das Schiff verließen. Es war tatsächlich trocken. Kurzfristig … aber immer wieder grüßte uns Petrus mit Regentropfen; es war aber noch erträglich.
Gut, dass Ålesund nicht weit vom Meer erbaut wurde. Das hat für Kreuzfahrer einen großen Vorteil: Man fällt vom Schiff und befindet sich sofort in der Stadt.
So wie wir an diesem Morgen als Überbrückung der Zeit bis zu unserem Busausflug. Ja, was sollte man in Ålesund unternehmen, wenn man nicht einen Ausflug gebucht hatte oder Zeit bis zum Beginn des Ausflugs hatte? So wie wir … Man sollte auf jeden Fall die im Jugendstil aufgebaute Innenstadt besuchen. Und damit kommen wir zum Thema Katastrophe. Nein, nicht die Innenstadt ist eine Katastrophe – im Gegenteil … Aber am 23. Januar 1904 fiel in einer Margarinefabrik eine Petroleumlampe um. Kleine Ursachen – große Wirkung. Es entstand ein Brand, dem rund 850 fast ausnahmslos aus Holz errichtete Häuser zum Opfer fielen – nahezu die gesamte Innenstadt. 10.000 Menschen wurden obdachlos; zum Glück fiel dem Inferno nur eine Person zum Opfer! Kaiser Wilhelm II. als großer Norwegenliebhaber schickte sofort vier mit Lebensmitteln, Medikamenten und Baumaterialen beladene Schiffe der Reichsmarine als aus eigener Tasche finanzierte Soforthilfe nach Ålesund. Nach dem Entladen dienten die Schiffe einige Zeit als Obdachlosenunterkunft. Weiterhin beorderte der Kaiser deutsche Architekten als zusätzliche Unterstützung in diese damals gebeutelte Stadt; die deutschen Architekten unterstützten ungefähr 50 norwegische Architekten. Alle sorgten dafür, dass nach schon sieben Jahren Aufbauarbeit die Stadt fast vollständig im damals vorherrschenden Jugendstil wiederhergestellt war: Zu erkennen sind heute die Merkmale deutscher Elemente mit eleganten, organischen Linien und Asymmetrien, weiterhin Quadersteinbauten aus der amerikanischen Architektur sowie nationalromantische Details aus dem norwegischen Stabskirchenbau. Wichtig war, dass untersagt wurde, Gebäude aus Holz zu errichten. Die Bürger Ålesunds waren Kaiser Wilhelm so dankbar, dass sie eine Hauptverkehrsstraße, die „Keiser Wilhelms Gate“, nach ihm nannten.
Nun aber los mit unserer kurzen Stadtvisite. Wir verließen das Schiff und stießen nach wenigen Minuten auf den Ålesundet, der die Jugendstilinsel Aspøy von einer weiteren Stadtinsel, nämlich Nørvøya, trennt.
Die Norweger hatten dort in den letzten Jahrzehnten ein Schmuckstück geschaffen!
In unmittelbarer Nähe fanden wir das Jugendstilzentrum. Wenn man in Ålesund war, musste man es besucht haben. Derartig viele schöne alte und gepflegte Häuser hatten wir selten auf einem Fleck gesehen –
es war ein Genuss! Fast wie im Märchenland mit unzähligen Türmchen, Erkern, Verzierungen … Kein Wunder, dass Ålesund zu den schönsten Stadt Norwegens zählt!
Wir bummelten durch die Sträßchen und blieben immer wieder stehen, um die alten Häuser zu bewundern. Schließlich standen wir – sogar planmäßig! – vor der Ålesund Kirke. Sie wurde nach dem großen Brand im neoromanischen Stil wieder aufgebaut und 1909 eingeweiht. Die Fenster stiftete Kaiser Wilhelm II.
In der Nähe der Kirche wurden wir auf einen Wegweiser aufmerksam. Und neugierig auf „Storhaugen“. Langsam kam die Erinnerung. War das nicht ein Aussichtspunkt? Wir mussten es erkunden und stiefelten weiter.
Stimmt! Wir wurden bestätigt, als wir ganz oben waren. Ein herrlicher Blick auf den Hausberg Aksla und im Vordergrund die Aspøy-Schule.
In diesem Moment regenfrei. Wenn auch nur kurz … Die Schule feiert im nächsten Jahr ihren 100. Geburtstag und in ihr werden 120 Schüler/-innen (hoffentlich nicht) geärgert.
Der Moment war vorbei. Es fing wieder an zu tröpfeln. Also zurück … oberhalb der Wasserlinie. In der Nähe des Molja fyr mussten wir unbedingt ein Foto „schießen“.
Richtig – von dem Leuchtturm, der bereits seit 163 Jahren existiert. Allerdings liegt seit einiger Zeit sein Hauptnutzen im Hotelgewerbe. Der Leuchtturm ist eine riesige Dependance des um die Ecke liegenden Hotels Brosundet. Da die Innereien nicht sehr geräumig sind, bieten sie sich vornehmlich Flitterwöchnern an. Kuscheln ist gewährleistet …
Nun aber weiter … der Ausflugbus würde nicht auf uns warten. Immer wieder mit Blicken zwischen den Häusern auf den Ålesundet
mit dem Aksla als Krönung. Hey, der Zick-Zack-Weg nach oben war klar zu erkennen! Immerhin! Wer sich dem Vergnügen unterwarf nach oben zustreben, hatte außerdem 418 Stufen vor und oben hinter sich. Nicht verzagen – es lohnt sich!
Die Zeit bis zum Ausflugsbeginn wurde knapp. Schnell vorbei an den Denkmälern Sildekona (Heringsfrau),
das eine ältere Frau bei der in früheren Zeiten üblichen Verarbeitung von Fischen zeigte, und Fiskergutten
mit dem optimistisch in die Zukunft schauenden Fischerjungen kamen wir vor dem Schiff an und begrüßten vor dem Ausflugsbus Hans-Werner, mit dem wir bereits am Vortag unterwegs waren. Wenn schon nicht das Wetter optimal war, konnten wir von ihm wenigstens viele vernünftige Informationen erwarten. So geschah es beim AIDA-Ausflug „Ålesund und die vorgelagerten Inseln“. AIDA versprach uns, dass wir durch einen der längsten Unterwassertunnel der Welt fahren würden. Na ja, das war ein wenig übertrieben …
Bei diesem Ausflug wurde es bei der Fünf-Insel-Fahrt immer wieder dunkel. Zum ersten Mal kurze Zeit nach Verlassen der ersten Insel (Nørvøya). Wir fuhren durch den Ellingsøytunnel auf die Insel Ellingsøya. 3.481 m durch die Tunnelröhre und bis zu 140 m unter dem Wasserspiegel. Von Ellingsøya bekamen wir nicht viel mit. Ich kann mich noch an viel Grün erinnern und an langsam, aber stetig einsetzenden Regen. Und schon kam der nächste Tunnel, der 4.222 m lange und bis zu 137 unter dem Meeresspiegel führende Valderøytunnel. Er endete auf der Insel Valderøya. Wir nahmen nicht die Straße zum Ålesunder Flughafen auf der Insel Vigra (nur mit einem „a“!) sondern die, die zur Insel Giske führte. Über eine 552 m lange Brücke. Wir durchquerten die Insel mit dem gleichlautenden Hauptort. Was sahen wir während der Fahrt? Wieder viel Grün, einzeln stehende Häuser und auch kleinere -zusammenballungen. Und an den Busscheiben herunter rinnenden Regen … Oh Wunder, wir mussten uns bei Hans-Werner bedanken! Er hatte zumindest auf der geschichtsträchtigen Insel Giske das richtige Timing! Kaum kamen wir an unserem ersten Ziel, der Giske-Kirche, an, hatte Petrus für einige Minuten ein Einsehen mit uns! Es tröpfelte nur noch von oben mit – echt! – Sekunden langen Regenpausen! Also raus aus dem Bus und auf Richtung Kirchlein!
Auf dem Weg zum Gotteshaus wurden wir vorbereitet auf unser nächstes Ziel, das sich auf der Insel im Hintergrund befand … Wir sollten wettermäßig nicht verwöhnt werden!
Aber zunächst zurück zur Kirche.
Sie wurde im 12. Jahrhundert im normannischen Stil aus Marmor errichtet. Von dieser Gesteinsart war bei der Außenbesichtigung so gut wie nichts zu sehen; Kalk bedeckte den Marmor. Hans-Werner brachte uns das geschichtsträchtige Kirchlein näher, aber nur von außen. Bis Petrus wieder in seinen alten Trott fiel – er öffnete die Schleusen und wir wurden auf einmal schnell.
Halt, nicht so schnell! Eins muss noch geklärt werden! Warum ist Giske geschichtsträchtig? Der isländische Skalde Snorre Sturlason berichtete, dass auf dieser Insel Harald Schönhaar nach der von ihm vorwiegend mit dem Schwert durchgesetzten Einigung Norwegens sein Haar geschnitten hatte. Danach wurde er Harald Kurzhaar genannt … nein, quatsch! Es blieb beim alten Namen!
Nun aber schnell hinein in den Bus, der nach ein paar Minuten in den Godøytunnel „tauchte“. Wohin führte der 3.844 m lange Tunnel? Logisch! Zur Insel Godøya! Und was sahen wir bei der folgenden Inselfahrt? Nein, ich will es nicht wiederholen …
Es sollte nicht bei der Inseldurchfahrt bleiben. Wir stoppten vor dem Touristenmagnet von Godøya, dem seit 1852 seine hellen Lichter in die Gegend schleudernden Leuchtturm Alnes fyr.
Seit knapp zwei Jahrzehnten fungiert der sich wunderbar vom grauen Himmel abhebende Leuchtturm als Kulturzentrum der Umgebung. Gut war, dass wir den Leuchtturm besichtigen und – zum Glück von innen – erklimmen konnten. Im Leuchtturm regnete es nicht! Von der Aussichtsgalerie hatten wir einen phantastischen Rundblick! Auf die weite, von einem Bergrücken begrenzte Bucht.
Auf den Ort Alsnes.
Lange blieben wir nicht auf der Galerie. Es war nasser als nass …
Unten wieder angekommen, eilten wir durch den Regen zum Besucher- und Kulturzentrum. Zum Glück kam der Regen nicht in dicken Tropfen von oben. Nein, es nieselte … und das bei starkem Wind … Auch so wurden wir schön nass. Bis wir uns im Besucherzentrum unterstellten und uns rechtzeitig zum Abfahrtstermin im warmen und trockenen Bus einfanden. Merkwürdig – alle waren pünktlich!
Zurück nach Ålesund nahm unser Busfahrer die gleiche Strecke wie auf der Hinfahrt. Was sehen wir? Ja, ja … Wach wurden wir, als es bergauf ging. Auf den Hausberg Aksla. Dieses Mal nicht über 418 Stufen von vorne sondern gemütlich im Bus sitzend von hinten. Kein Wunder, dass wir schnell den Bus verließen und von nur wenigen Tropfen belästigt zur Aussichtsplattform stürzten.
Ålesund lag zu unseren Füßen. Eine Augenweide. Ein überwältigender Blick auf die über die zerfranste Küste und auf Inseln verteilte Stadt, das Meer und die Sunnmøre-Alpen. Nach ausgiebigem Bestaunen der Inselwelt näherte sich das Ausflugsende. Schade, aber da noch ein wenig Zeit war, gab es eine Zugabe. Neben einer Stadtrundfahrt wurden eine sechste und siebte Insel angefahren, nämlich die Altstadtinsel Aspøya sowie Heissa als westlichste der vier Stadtinseln. Wir umrundeten die Bucht zwischen der Altstadtinsel und Heissa und machten bei einen Fotostopp gegenüber unserer AIDAmar und der Fridtjof Nansen.
Dann war es so weit. Zurück aufs Schiff und fertig machen zum Auslaufen. Kurz nach 16 Uhr legte unser Schiff ab, schob sich an der Fridtjof Nansen vorbei
und befand sich kurze Zeit später auf der offenen See. Unser nächstes Ziel wurde anvisiert – Stavanger. Und wir machten uns für den Rest des Tages gemütlich. Dort, wo es trocken war …
Ach ja, noch eins zum Ende dieses Reiseberichtes: Am frühen Abend hatten wir ein Erlebnis der besonderen (Corona-) Art. Wir fuhren zu dritt im kleinen Aufzug; er hielt unterwegs und weitere drei Personen wollten sich hineindrängen. Wir verhinderten es und es folgte eine verbale Auseinandersetzung, deren Inhalt ich nicht wiedergeben will. Aber eins wird festgehalten: Lieber Drängler, ich hoffe, dass Du diese Zeilen liest und verinnerlichst, dass wir, die in diesen Zeiten nicht zu eng gedrängt in einem Aufzug fahren wollten, NICHT bescheuert sind!
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