
Nachdem wir einen Ausflug in die überragende Natur Südnorwegens gemacht und uns anschließend gestärkt hatten, widmeten wir uns der Stadt Stavanger. Sie ist mit ca. 144.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Norwegens. Und die reichste Stadt des Landes. Wie kommt´s? Mitte des 19. Jahrhunderts gab es einen großen wirtschaftlichen Aufschwung, als sich Stavanger zu einem Zentrum des Fischfangs incl. der -verarbeitung mauserte. Nebenbei trug der Schiffbau zur weiteren Beschäftigung der Einwohner bei. Vor dem zweiten Weltkrieg existierten beinahe 70 Konservenfabriken in der Stadt; die letzte wurde 2002 dicht gemacht. Für die Stadt und deren Bewohner war diese Entwicklung das kleinere Problem, denn 1969 wurde Ekofisk, Europas größtes Ölfeld, entdeckt und erschlossen. Der große Boom begann – die Ölmultis überfielen Stavanger, ließen sich dort nieder und trugen zum noch stärkeren Aufschwung bei.
Kein Wunder, dass sich Stavanger den Besuchern als Stadt der Gegensätze zeigt. Zum einen besonders von der Ölindustrie geprägte moderne Bauten sowie die üblichen Wohnneubauten, zum anderen die gemütlichen alten Holzhäuserviertel. Eins wollten wir uns intensiv anschauen. Weit mussten wir nicht gehen, denn in die Altstadt mussten wir nur vom Schiff stolpern und nach wenigen Metern waren wir mittendrin. Doch zunächst verschafften wir uns vom Schiff aus einen Überblick.
Das sah schon einmal sehr gut aus! Nur ein Holzhaus tanzte aus der Reihe!
Ein Individualist legte sich quer … Ein Fan der blauen Farbe … Aber auch nicht unattraktiv. Wenigstens so lange, wie sich Teile der AIDAmar in den Fenstern spiegeln …
So, nun aber hinein! Über die Nedre Strandgate (Untere Strandstraße) zur Øvre Strandgate (Obere Strandstraße), um die sich 173 mehrheitlich weiße Holzhäuser scharen.
Diese Holzhäuser wurden nach einem Großbrand ab Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet. Nicht alle standen von Anfang an an ihren jetzigen Stellen. Früher war es in Norwegen üblich, dass man bei einem Umzug die Holzhäuser auseinander-, dann mitnahm und am neuen Wohnort aufbaute. Die Häuser waren entsprechend klein, von 27 bis 80 m². Die Mehrzahl dieser Häuser wurden von Fischern bewohnt; teilweise teilten sich zwei Familien ein Haus.
Das besonders Flair zeigte sich auch im Straßenbelag, Nicht der heute übliche Asphalt sondern Kopfsteinpflaster. Worüber wir in diesem Viertel hin- und her schlenderten. Immer wieder hatten wir den Durchblick. Z.B. zur AIDAmar.
Im Jahre 1948 planten die Stadtoberen, die Holzhäuser abzureißen und an deren Stelle ein Industrieterrain anzulegen. Zum Glück scheiterte diese Absicht am massiven Widerstand der Bewohner und auch an sonstigen verantwortlichen Bürgern wie der Architekt Einar Hedén, die das Bewahren dieses trotz der vorherrschenden Farbe Weiß pittoresken Viertels anstrebten. So geschah es auch und einige der Häuser stehen unter besonderem Denkmalschutz. Auch zur Freude der Besucher. Denn es macht immer wieder Spaß, durch diese nicht sterilen Gassen zu spazieren.
Die wenigsten Häuser hatten Vorgärten. Na und? Dann wurde eben anderweitig Farbe ins Bild gesetzt.
Blumen gedeihen auch in Töpfen! Oder in einer ausrangierten Zinkwanne. Etwas Neues? Nein, grins … Bei einigen Häusern setzten die Bewohner besondere farbliche Akzente.
Türen wurden kontrastreich gestrichen. Pink ist zwar nicht unbedingt mein Fall, aber in dieser Umgebung schmerzte diese Farbgestaltung nicht …
In einer Nebengasse fiel ein Häuschen auf, mit Sicherheit ein Fischerhäuschen. Klein, weiß, krumm und schief.
Dafür liebevoll mit Rosen drapiert. Doch wie kamen die Bewohner ins Haus? Mussten sie unter dem gelben Rosenstock kriechend die Haustür erreichen?
Nicht weit davon gab es ein weiteres Schmuckstück.
Mit einfachen Mitteln wurde das uniforme Weiß aufgehübscht.
Wir näherten uns dem Ende der Øvre Strandgate und standen länger vor einem weiteren Hingucker.
Das Knallblau wurde wirkungsvoll von einem Blumenfreund in Szene gesetzt.
Kurz vor dem neueren Steil Stavangers stießen wir auf eine Skulpturengruppe.
„Alt for barna“ oder „Alles für die Kinder“. Die Gruppe ist dem Philosophen und Schriftsteller Lars Lende gewidmet, der sich früh mit besonders unterprivilegierten Kindern und Jugendlichen beschäftigte. Er kaufte z.B. Ponys und nahm Kinder auf Spazierfahrten in kleinen Karren mit. Strahlende Kinderaugen waren ihm genug an Lohn. Beeindruckend …
… wie auch das Bodendenkmal.
Hoffentlich wird der Gullideckel nicht mit Füßen getreten. Er erinnert an zwei wichtige Jahrestage in Norwegen: 100 Jahre Frauenwahlrecht und 200 Jahre Verfassung und damit verbunden an die in ihnen enthaltenen Forderungen nach Frieden, Gleichheit, Einheit, Diversität, Freiheit und Mut. Ein nicht alltäglicher Hinweis auf Selbstverständlichkeiten, an die die vorbeiziehenden Passanten tagtäglich erinnert werden. Ich finde es klasse!
Diesen Gullideckel sahen wir am Rande einer Anhöhe, auf dem Valberget. Und dort gingen unsere Blicke nach oben.
Entlang der Wände des fast 27 m hohen Wachturms. Die Aussicht von oben über die ganze Stadt hatte einen Sinn. Zum einen in Kriegszeiten, um rechtzeitig den Feind zu erspähen und die Bewohner der Stadt zu warnen; zum anderen achteten die Wächter auf mögliche Feuerausbrüche. Aktuell ist im Turm ein Stadtwächtermuseum untergebracht. Wer eine noch bessere Aussicht über Stavanger haben will, kann ihn besteigen. Wir verzichteten an diesem Tag darauf – vielleicht beim nächsten Mal.
Die Beine wurden müde und aus diesem Grunde machten wir uns langsam Richtung Schiff auf. Und bekamen nebenbei mit, dass die Altstadt am Schiffsanleger nicht das einzige Holzhausviertel Stavangers ist.
In dieser Stadt gibt es aktuell knapp 8.000 Holzhäuser in verschiedenen Stilrichtungen. In diesem Viertel unterhalb des Valberget sind Geschäfte, Boutiquen, Restaurants, … untergebracht.
Im Gegensatz zu dem von uns zuerst besuchten Holzhausviertel sehr farbenfroh. Und zwar in allen möglichen Farbtönen. Zahlreiche Blumenampeln trugen zusätzlich zur weiteren Farbgestaltung bei.
So, wir waren wieder am Hafen angekommen. Auch dort fanden wir ältere, sorgfältig renovierte Holzhäuser vor.
In den guten alten Zeiten fungierten sie als Speicherhäuser. Wir erkannten es an den Ladeöffnungen im Giebel. Die Zeit des Ladens und des Lagerns ist vorbei – wie auch in anderen Hafengegenden lassen sich in diesen zu Restaurants umfunktionierten Gebäuden die Besucher verwöhnen.
Es war nur noch ein kurzer Weg zur AIDAmar. Ausruhen war angesagt – doch wir konnten es einfach nicht lassen. Wir mussten noch einmal im Hellen nach oben und unsere Runden drehen. Und die andere Seite des Hafenbeckens betrachten.
Am Abend speisten wir unter dem Büffel. Anschließend ließ es sich nicht vermeiden, die Ohschän-Bar aufzusuchen. Was gab es dort? Nein, kein Mai Tai – Hellfire. Auch der wirkte …
10. September 2021 – Seetag
Unser letzter Tag vor der Rückkehr brach an. Mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Der Himmel brannte. Aber nicht lange. Die Morgenröte wurde von blauem Himmel und Sonnenschein abgelöst. Auch nicht lange. Denn es begann auf Deck eine Dichterlesung.
Der Dichter Nebel gab sich längere Zeit die Ehre und unterhielt uns. Bis wir ihn nicht mehr aushalten konnten und uns zum Kofferpacken auf unsere Kabine begaben. Dann zum Mittagessen. Lieber Rest von der Achterbande: Es gab Schmalz. Und somit ein lange vermisstes Schmalzbrot! Einfach (und) lecker …
Ansonsten tat sich an diesem Tag nicht viel. Auf Kaffee und Kuchen verzichteten wir. Es gab keine freien Plätze in den Kaffee- und Kuchen-Bars. Aber zum Abendessen gab es glücklicherweise genügend Platz für alle. Und anschließend ein wohliges Völlegefühl … Die richtige Voraussetzung zum gemütlichen Treffen in einer Bar. In voller Besetzung, also mit Kreuzfahrergerda und -gerd sowie Cindy und Bodo. Der vorgezogene Abschied. Leider …
11. September 2021 – Hamburg
Kapitän und Besatzung verstanden ihr Geschäft. Wir merkten nicht einmal das Anlegen. Vor dem Frühstück holte ich mir erst einmal die nötige Kaffeeinfusion. Mit dem Kaffeepott in der Hand machte ich einen meiner letzten Rundgänge dieser Kreuzfahrt. Das Wetter … na ja, es passte zur Abschiedsstimmung. Trübe. Oder auch tote Hose. Wie vor der Ohschän Bar.
Geschlossen. Warten auf die Gäste, die uns ablösten. Dann auf zum Frühstück. Und danach nicht sofort runter vom Schiff. Wir nutzten fast voll aus, dass wir die AIDAmar erst um 11 Uhr verlassen mussten. Denn wir verlängerten unseren Urlaub. Nicht auf dem Schiff sondern irgendwo am Ausgang der Flensburger Förde. Wenn wir Rheinländer schon einmal in Norddeutschland waren …
Ja, das war´s dann mit dieser Reiseberichtsfolge. Sollte Corona nicht uns ein Schnippchen schlagen, werdet Ihr bald die nächsten Berichte lesen können, falls Ihr wollt.
Zum endgültigen Schluss noch einige Anmerkungen zu dem, was auf dieser Kreuzfahrt anders war. Corona sei Dank – nein besser: Corona sei Undank! Und damit komme ich zum Hygiene-Konzept von AIDA Cruises.
Im Prinzip war es gut durchdacht. Aber jedes Konzept ist so gut, wie es von den Menschen – Crew und vor allen Dingen Reisenden – gelebt wird. Dazu gab es viele positive und leider auch einige negative Momente. Das Einchecken hat uns sehr gut gefallen. Nach kurzer Verspätung verlief es zügig. Alle trugen Masken, Abstände wurden weitestgehend eingehalten. Aber bereits beim ersten Auslaufen hätten wir uns gewünscht, dass bei nicht ausreichenden Abständen Masken getragen wurden. So war es auch vorgesehen, wurde aber weniger beachtet.
In den Innenbereichen hatten sich die Passagiere überwiegend an die Maskenvorgabe gehalten. Okay, in den Restaurants vergaß man vereinzelt „im Eifer des Gefechts“ beim Essenholen, die Maske aufzusetzen. Ich erwischte mich auch dabei. Bei diesen Fällen hätte ich mir vermehrt freundliche Hinweise seitens der Crew gewünscht.
Die Laufrichtung beim Buffet wurde absolut nicht eingehalten. Und auch nicht „überwacht“.
In den Buffetrestaurants wurden Tische nach Verlassen durch die Gäste nicht immer zeitnah, in Einzelfällen erst nach Aufforderung durch Passagiere gereinigt/desinfiziert. Ich unterstelle, dass dieses auch an der personellen Unterbesetzung lag.
Über das unmögliche Verhalten einzelner Passagiere, die in einen schon vollen Aufzug stürmen wollten, hatte ich bereits berichtet. Vermehrte Hinweise auf die personelle Begrenzung in den Aufzügen wären angebracht gewesen.
Getränke mussten im Gegensatz „zu normalen Zeiten“ während der Kaffeestunde bezahlt werden; über die Tage hinweg gab es kaum Abwechslung bei sehr übersichtlicher Kuchenauswahl. Logisch, wer eine Kreuzfahrt bezahlt, müsste auch einen zusätzlichen Kaffee bezahlen können. Nur: Gehören Kaffee und Kuchen nicht auch zur Vollpension? Oder liegt ein schleichender Übergang zur weiteren Beschneidung des Angebots vor? Das Platzangebot in den „Kaffee-und-Kuchen-Bars“ war absolut nicht ausreichend, so dass nicht wenige Passagiere auf die Kaffeestunde verzichteten und auf andere Bars auswichen. Hierzu auch der Gedanke: War das seitens AIDA Cruises geplant?
Fazit: Das AIDA-Versprechen muss nachgebessert werden. Es gab gefährdende Unzulänglichkeiten. AIDA sollte – auch angesichts der aktuellen Corona-Situation – stringenter bei nicht erwünschten Vorgabeabweichungen vorgehen. Kann man ohne eine „Corona-Polizei“ auskommen?
Ich danke Euch für Eure Geduld und vielleicht bis demnächst
Achim
PS: Die letzten Anmerkungen zum Hygiene-Konzept sind meine Gedanken (Wie sollte es anders sein …). Ich bitte, auf dieser Basis keine Diskussion in diesem Faden zu beginnen – dafür gibt es andere Threads. Danke!
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