Ihr inoffizieller Name ist schlicht „Die Königsetappe“ und sie ist Traum und Schrecken eines jeden sportlichen Radfahrers zugleich. Ich hatte 2007 die Ehre, diese Aktiv Tour hoch zum Dalsnibba gleich 7 mal zu fahren und habe dabei auch die unterschiedlichen Facetten dieser ganz speziellen Tour kennengelernt.
Die Biker tendern zusammen mit einem Guide hinüber zum Tenderanleger in Geiranger, wo schon die Räder und die skeptischen Blicke der anderen Passanten auf einen warten. Es geht auch ohne Vorwarnung direkt in den Anstieg hinein. Vorbei am Fjordzentrum und dem Wasserfall geht es aus dem Fjord und dem Ort hinaus bis zum Hotel Utsikten (wo Kaiser Wilhelm immer „sein“ Geiranger genoß) und dem Aussichtspunkt Flydalsjuvet bei ca. 300 Höhenmetern. Nach einem Verschnaufer und Fotostopp geht es in eine „Zwischenebene“ und dann immer weiter bergauf bis zur Dalen-Hütte am Bergsee Djupvatnet (1.030 Höhenmeter). Wenn das Wetter, die Zeit und der eigene Fitnesszustand es zulassen, ist dann noch eine Weiterfahrt bis zur Aussichtsplattform am Dalsnibba auf knappen 1.500 Höhenmetern möglich. Danach geht es den gleichen Weg 21 Kilometer bergab zurück zum Schiff.
Was sich von der Tourenbeschreibung so leicht anhört hat es wirklich in sich. Der Anstieg bis zur Passhöhe beim Bergsee pendelt sich so bei 9 bis 11 % ein – abgesehen von kurzen „Flachstücken“ kurz nach Flydalsjuvet und den letzten 3 Kilometern (100 Höhenmetern) oben beim Pass. Dieser Teil ist auf sehr gutem Asphalt und auch psychologisch gut zu fahren. Alle 100 Höhenmeter ändert sich der Charakter der Umgebung: unten hat man dichte Vegetation und den Fjord, dann kommt die almähnliche Hochebene, später der Blick hoch zu den imposanten Wasserfällen und noch später der Blick zurück auf das Tal und zum Schluss die karge Passhöhe. Im Frühjahr liegt ab 700 Höhenmetern Schnee, der oben am Pass gerne drei bis fünf Meter Höhe erreicht. Der Abschnitt von der Hütte hoch zum Gipfel ist dann ein anderes Kapitel. Ich würde die Steigung auf 12 - 14 % schätzen und der Untergrund ist nun ziemlich rauer Kieselsand, der bei Feuchtigkeit auch gerne mal etwas der aufgebrachten Energie für den höheren Rollwiderstand beansprucht. Die Landschaft ist hier ziemlich karg und die Kehren ziehen sich. Hier heißt es beißen! Gut ein Drittel der Teilnehmer hat daher letzte Saison auch darauf verzichtet und ist lieber bei der Hütte geblieben und hat dort auf die anderen gewartet.
Neben den Schneewänden im Frühjahr können auch Eisregen, dichte Wolken oder fiese, böige Gegenwinde die Wegbegleiter sein. Richtig stören tun die eigentlich nicht, nur ist es bei strahlendem Sonnenschein und vor allem freier Sicht vom Gipfel hinunter in den Fjord einfach schöner. Die Tour sollte wirklich nur mitmachen, wer sich seiner Sache sicher ist. Gute Ausgangslagen sind entweder ca. 2.000 Trainingskilometer (und wirklich TRAININGSKILOMETER) in der Saison, Erfahrungen im Bergauffahren z.B. 1.000 Höhenmeter am Stück oder andere schwere AIDA Aktiv Touren wie jene auf Madeira, Santorini oder Dominica. Andere sportliche Erfahrungen wie eine erfolgreiche Halbmarathon-Teilnahme oder Leistungssport zählen natürlich auch. Dieser hohe Leistungsstand ist deshalb wichtig, weil die Gruppe ein gewisses Tempo veranschlagen muss, um es innerhalb der Liegezeit bis zum Gipfel und wieder runter zu schaffen. Wenn man dann schon auf den ersten 300 Höhenmetern „abreißen“ lassen muss, ist das einfach ungünstig und auch ein wenig unfair den anderen gegenüber, die dann öfter warten müssen und es deshalb von der Zeit her vielleicht nicht mehr bis ganz oben schaffen. Wenn man dagegen ein Tempo von 9 km/h am Berg halten kann, schafft man es auch bis zum Gipfel! Eine zweite, hier besonders wichtige Sache, ist die Graderobe. Zieht Euch warm an! Ich bin immer mit kurzem Trikot, Weste und kurzer Hose hochgefahren. Für die Abfahrt hatte ich immer dabei: Armlinge, Beinlinge, zwei warme – langärmlige Trikots, eine lange Hose, zwei Windjacken, zwei Buff-Tücher (für Kopf und Hals), Sonnenbrille und vor allem HANDSCHUHE! Einmal hatte ich all das gleichzeitig an und wirklich auch gebraucht – und ich bin alles andere als ne Frostbeule. Und Ihr glaubt gar nicht, wie anstrengend es sein kann, 21 Kilometer nur bergab zu fahren, wenn man friert!
So nun aber genug von diesen „nützlichen“, vielleicht z.T. ein wenig abschreckenden Infos. Damit es Spaß macht und man gut vorbereitet in diese Tour geht, kann es aber wohl nicht schaden, all das zu wissen und zu beherzigen. Alle, die sie schon mal mitgemacht haben, werden mir aber beipflichten, dass es ein einmaliges Erlebnis ist und sich jeder Meter Schinderei fünffach auszahlt. Die Schönheit des Ortes, die Einmaligkeit der Landschaft und vor allem den Stolz, das aus eigener Muskelkraft erklommen zu haben, vergisst man wohl so schnell nicht. Und selbst für gestandene Radfahrer ist es immer wieder etwas besonderes, wirklich auf einen Gipfel zu fahren. Die Tour bekommt daher von mir fast schon selbstverständlich 5 Sterne ***** und landet damit auf Platz 3 der mir bekannten 75 Touren. Allen, die sie fahren werden, wünsche ich viel Spaß und denkt immer daran: „Der Berg ist unser Freund!“ – Der Donatello