Prolog:
„Masse statt Klasse“, „Verkaufsfahrt“, "Aida nie wieder!“ –
eigentlich voller Vorfreude war ich im Internet unterwegs und las vor
unserer Reise dutzende Einträge auf einschlägigen Bewertungsportalen.
Nicht wenige davon waren wie eingangs betitelt...
„Reeperbahn - ich komm an,
Du geile Meile, auf die ich kann.
Reeperbahn - alles klar,
Du alte Gangsterbraut, jetzt bin ich wieder da.“
Udo Lindenberg – Reeperbahn
Um
unnötigen Stress am Anreisetag zu vermeiden, fuhren wir schon am
Freitag bei schönem Wetter mit dem eigenen Pampersbomber nach Hamburg.
„Sehr zentral“ sei unsere Unterkunft. Und tatsächlich – mitten im Kiez
hatte meine Frau ein Appartement gemietet. Eine einfache Unterkunft,
aber völlig ausreichend für unsere kleine Familie. Immerhin: das Auto
stand gut in einer ruhigen Sackgasse, und wir waren in wenigen Schritten
an den Landungsbrücken und auf der Reeperbahn. Viele Orte und Kneipen
erkannte ich wieder – ach ja, damals, als man ohne Familie mit Kumpels
übern Kiez zog… Trotzdem ist der Flair am Hafen und auf St. Pauli nach
wie vor unvergleichlich! Auf der Mönckebergstraße rasch ein paar Euro
vershoppt, und schon war es Zeit für das Abendessen. Einer Empfehlung
folgend, suchten wir den „Kartoffelkeller“ (Deichstr. 21) auf und wurden
nicht enttäuscht! Ambiente und Essen waren super, und vor allem war das
eine der kinderfreundlichsten Lokalitäten, die wir bis dahin besucht
hatten! Zwar macht der Kartoffelkeller seinem Namen alle Ehre, aber das
junge, sehr aufmerksame Personal hat uns den Kinderwagen runter- und
später wieder raufgetragen, brachte unaufgefordert einen Hochstuhl sowie
Malsachen und im weiteren Verlauf des Essens noch anderes Spielzeug.
Außerdem wurden alle Sonderwünsche, die mit einem Kleinkind zwangsweise
aufkommen, anstandslos erfüllt. Man fühlte sich als Familie tatsächlich
willkommen – perfekt!
Nach einer ruhigen Nacht stand am Samstagvormittag der erste Kontakt
mit AIDA auf dem Programm. Laut Reiseunterlagen kann man ab 14 Uhr
einchecken. Telefonisch erfuhren wir am Vortag, dass man ab 10 Uhr
bereits sein Gepäck am Kreuzfahrtterminal Altona abgeben könne. Die
Anfahrt war gut ausgeschildert und reichlich Parkplätze vor dem Terminal
vorhanden. Kein Problem bis hierhin. Dann jedoch kamen erste Zweifel
auf: Qualitätsverlust schon an Land? Wir wurden nämlich zweimal von
weniger hilfreichen AIDA-Mitarbeitern von einem Ende des Terminals zum
anderen geschickt, um dann zu erfahren, dass man sein Gepäck
„wahrscheinlich noch nicht abgeben könne, schließlich seien noch
abreisende Gäste in der Halle“. Hm. Der freundliche Herr an der Hotline
in Rostock war sich nach einer Rückfrage allerdings sicher, dass man
sein Gepäck schon früher aufgeben kann. Der landseitige
Qualitätseindruck wurde dann durch eine kompetente Mitarbeiterin wieder
gerade gerückt, die uns auf Anhieb die richtige Tür zeigte, an der
tatsächlich schon Gepäck angenommen wurde. Die Mitarbeiter an der
Gepäckannahme klärten dann kurz und verständlich über das weitere
Vorgehen auf: ein Pre-Check-in sei ab 12 Uhr möglich, damit nachher
nicht so lange Wartezeiten entstehen; ab 14 Uhr könne man aufs Schiff.
Ab hier war sie wieder da, die bekannte AIDA-Qualität! In bester Laune
warfen wir einen Blick zurück auf die hinter dem Terminal liegende
AIDAluna, bevor wir ihr noch mal den Rücken zukehrten, um das Auto bei
einem Freund zu parken und uns mit Verwandten zum Mittagessen an den
Landungsbrücken zu treffen. Mahlzeit!
„Zug zum Flug“ kann ja
jeder, aber in Hamburg funktioniert auch „Schiff zum Schiff“! Nach dem
Essen konnten wir es kaum noch erwarten und nahmen Kinderwagen und
Handgepäck mit auf die Hafenfähre der Linie 62 bis Dockland. Die Fahrt
direkt an der Luna vorbei ermöglichte uns einen tollen Blick von der
Wasserseite aus auf unsere Heimat für die nächste Woche, die wir dann
auch umgehend betraten.
Nach dem problemlosen und schnellen Check-in
eilten wir zur Rezeption an Bord, um ein Babyphon zu besorgen. Zwar
hatten wir uns im Vorfeld schon Funkgeräte gekauft (Motorola TLKR 6),
die via PMR-Funkstandard an Bord eines Schiffes funktionieren und eine
Babyphon-Funktion haben, aber wir wollten auf Nummer sicher gehen und
zweigleisig fahren. AIDA-Babyphone sind nämlich nur in begrenzter Anzahl
erhältlich, und wenn wir keins bekommen hätten, hätte das ja bedeutet,
dass zumindest immer einer von uns den Abend auf der Kabine beim Kind
verbringen muss. So aber war die Abendunterhaltung gerettet. Beide
Systeme – das AIDA-Babyphon, das über das Bordtelefonnetz läuft, 65 Euro
Kaution und 5 Euro pro Tag kostet, und das Funkgerät – funktionierten
bei unseren Tests (einer in der Kabine, einer mit Sprechproben auf dem
Schiff unterwegs) übrigens absolut einwandfrei! An der Rezeption
erhielten wir neben der Kiste mit dem Babyphon auch die Information,
dass alle Kabinen bereits bezugfertig seien – um kurz nach 14 Uhr!
Respekt vor dem Housekeeping! Da es mit den neuen AIDA-Schiffen so ist
wie mit den Frauen (Kennste eine, kennste alle), fanden wir sehr schnell
unsere Außenkabine, ganz weit achtern an backbord. Flugs die Koffer
aus- und die Schränke eingeräumt, und dann schon mal die
Kinder-Rettungsweste anprobiert. Unsere kannten wir noch gut genug von
den vorherigen beiden Reisen, aber die Kinderweste war neu für uns.
Wirklich gut gefallen hat es unserer Tochter auch nicht, aber wat mutt,
dat mutt! Auch den Weg zur Musterstation hatte ich zu dem Zeitpunkt
schon gesucht und gefunden. Genauso waren wir übrigens auch 2009
verfahren, lange vor den aktuellen Kreuzfahrtzwischenfällen und dem
damit verbundenen Aktionismus. Das mag man belächeln oder auch nicht –
ich vertrat schon immer den Standpunkt, dass man sich nun mal auf einem
Fahrzeug befindet und es keine hundertprozentig garantierte Sicherheit
geben kann – auch in Hotels informiere ich mich z.B. direkt nach Ankunft
kurz über Rettungswege etc. Ist besser, als sich nachher zu beschweren…
Aber zurück zum aktuellen Urlaub. Ebenso schnell wie unsere Kabine hatten
wir anschließend auch den Weg ins Weite-Welt-Restaurant gefunden und
traten zum ersten Kaffeetrinken an. Viele der eingangs erwähnten
Kritiken betrafen ja das Essen und die Atmosphäre in den
Buffetrestaurants. Um es kurz zu machen: ALLES IN BESTER ORDNUNG!
Angebot, Präsentation und Geschmack der Speisen waren unseres Erachtens
durchweg super, das Personal freundlicher denn je und außerordentlich
hilfsbereit! Sonderwünsche wie z.B. das Erhitzen von Milch oder spülen
von Fläschchen wurden sofort im Laufschritt in die Wege geleitet. Das
jeden morgen gleiche Personal im Bella-Vista-Restaurant, in dem wir
immer frühstückten, war regelrecht vernarrt in unsere kleine Tochter.
Sie schäkerten mit ihr, schenkten ihr aus Servietten gefaltete Blumen
und gaben ihr sogar einen Spitznamen: Luna Explorer. Wenn sie mit dem
Essen fertig war, flitzte unsere Tochter nämlich gerne im Restaurant
herum, um alles zu erforschen. Natürlich machte sich sofort einer von
uns an die Verfolgung, schon allein, um zu verhindern, dass sie dem
Personal allzu sehr im Weg war. Aber wenn sie fröhlich juchzend und
lachend zwischen den Tischen herumtapste, führte das zu vielen Lachern
und freundlichen Kommentaren anderer Gäste. Außerdem lernten wir auf
diese Weise schnell andere Kinder und ihre Eltern kennen, die ähnliche
„Probleme“ hatten. Wir haben auch immer gut einen Platz und einen
Hochstuhl gefunden, man darf da halt nicht kontaktscheu sein oder
erwarten, dass man einen Tisch für sich alleine hat. Das passt nicht zum
Konzept der Buffetrestaurants. Das Essen hat uns also mal wieder alles
andere als enttäuscht!
Im Gegensatz dazu stand leider die wenig
familienfreundliche Seenotrettungsübung. Natürlich verbietet sich in der
postcostaconcordialen Kreuzfahrtära ernsthafte Kritik daran, dass diese
nun vor dem Auslaufen stattfindet, aber zur veranschlagten Uhrzeit
(20.30 Uhr) gehören Kleinkinder nun mal eigentlich ins Bett und nicht
auf die Musterstation. Es ist ohnehin sehr bedauerlich, dass die
Abfahrtszeit von 20 Uhr auf 21 Uhr noch weiter nach hinten verlegt
wurde. Warum erfolgt das Ablegen nicht schon nachmittags? Dann könnte
auch die interessante Passage über die Elbe und der Übergang in die
Nordsee noch bei Tageslicht erlebt werden. Für nautisch interessierte
Gäste ein Leckerbissen! Aber immerhin wurde die Seenotrettungsübung
ernst genommen, es wurden keine professionellen Spaßfotos oder Filme
gemacht, und entsprechend schnell wurde der „Generalalarm zur Übung“
aufgehoben. So begleitete Enyas „Sail away“ nicht nur die AIDAluna auf
ihrem Weg aus dem Hamburger Hafen, sondern auch unsere todmüde Tochter
ins Traumland.
„Soweit die See und der Wind uns trägt
Segel hoch, volle Fahrt – AIDAluna!
Geradeaus wenn das Meer uns ruft
Fahrn wir raus hinein ins Abendrot“
nach: Santiano – Santiano
Ins Abendrot – von wegen! Abgesehen davon, dass es bereits stockdunkel war,
gaben sich das Wetter und insbesondere der Wind auf dieser Reise nicht
direkt als AIDA-Fans zu erkennen, aber dazu später mehr. Welcome-Sekt
und Sail-Away-Show gab es zwar in der gewohnten Art und Qualität auf dem
Pooldeck, aber das Geschehen verlagerte sich aufgrund des nasskalten
Wetters schnell ins Schiffsinnere, wo wir nach ersten Cocktails und
Tanzversuchen alsbald unserer Tochter ins Traumland folgten…
…bis ich des Nachts um kurz nach 2 Uhr gewahr wurde, dass wir offenbar die
offene Nordsee erreicht hatten, denn das Schiff schüttelte sich
merkwürdig, was an der Lage unserer Kabine gelegen haben mag. Von den
vorigen Fahrten hatten wir die z.B. auf dem Nordatlantik im März 2009
auf dem Weg nach Madeira durchaus vorhandenen Schiffsbewegungen anders
in Erinnerung, da lag unsere Kammer mehr zum Bug hin. Auf der aktuellen
Reise, ganz achtern, war das auch nicht unangenehm, aber eben anders.
Unbegründet war übrigens meine Angst vor „schiffstypischen Geräuschen“
in einer Kabine dieser Lage. Diese waren zwar gelegentlich vorhanden,
aber offenbar nur bei Betrieb des Heck-Querstrahlruders, und das hat uns
nicht gestört. Es wurde Abend, und es wurde Morgen - 1. Seetag!
1. Seetag
Am Morgen des 1. Seetages fand als unser erster Termin nach dem Frühstück
der Krabbeltreff statt. Dazu muss man wissen, dass Kinder erst ab ca. 3
Jahren (wenn sie keine Windeln mehr brauchen) offiziell von AIDA betreut
werden. Jüngere Kinder, wie unsere anderthalbjährige Tochter, dürfen
zwar auch in den Kids Club, aber nur in Begleitung der Eltern und in der
Regel außerhalb des Kids-Club-Programms. Beim Krabbeltreff soll man
andere Kleinkinder und ihre Eltern kennen lernen. Gute Idee, aber die
Durchführung hatten wir uns anders vorgestellt. Vielleicht so wie in der
Spielgruppe zu Hause: ein gemeinsames Lied, moderierte Spiele etc.
Durchaus mit einfachen Mitteln auch für Kleinkinder möglich. In der
Praxis war es so, dass zwar ein Mitglied der Kids&Teens-Crew
anwesend war, ansonsten aber alle so ziemlich sich selbst überlassen
waren. Die Kinder konnte man im Bällebad versenken, sie rutschen oder
mit Riesenbauklötzen spielen lassen etc. Das war auch nicht schlecht und
wurde in den kommenden Tagen mehrfach wiederholt, aber im späteren
Gespräch mit anderen Eltern kam raus, dass sich alle vom groß
angekündigten Krabbeltreff mehr versprochen hatten. Auch die Clubbies
traten nicht in Erscheinung. Schade, denn wenn sie da waren, wurden sie
immer auch von den kleinsten Kindern bewundert.
Doch zurück zum Tagesablauf: Seetag auf dem Weg nach Le Havre – das bedeutet ja in
erster Linie viel Essen! Damit man sich noch im Spiegel in die Augen
sehen kann, haben wir uns entschlossen, am Vormittag nach dem Kids Club
ein bisschen zu sporteln. Meine Frau entschied sich für einen Kurs, ich
danach für Crosstrainer und Gerätetraining. Vor dem Mittagessen noch
schnell zum Medizinertreff, mit Kollegen meiner Frau plaudern und den
leider einzigen Blick hinter die AIDA-Kulissen bei einer Führung durch
das Bordhospital genießen. Nachmittags gab’s Erdbeerbowle und Sauna,
letzteres auch mit unserem Kind, das das schon kennt und die milden
Aromasaunatemperaturen problemlos wegsteckt. Dann noch Tanzkurs Salsa
mit Tanzlehrer Oliver, der auch abends als Gastgeber in der AIDA-Bar
fungierte und immer für Fragen rund um Tanzschritte ansprechbar war.
Großes Lob, sehr gut gemacht!
Abends verpassten wir im Restaurant sitzend sogar die „Variete Nostalgia“-Show. Nicht schlimm, dachten wir,
die Artisten an ihrem Trapez kommen ja garantiert noch mal, wie wir von
vorhergehenden Reisen wussten. War aber leider nicht so. Na ja, dafür
wieder gut gegessen und sich auf die nächste Show direkt nach der
obligatorischen Vorstellung der nautischen Offiziere gefreut: die
Beatles-Show „Come together“, uns schon von der AIDAbella bekannt, aber
immer wieder toll zu sehen! So nahm der Abend den üblichen Verlauf, bis
wir es unserer Tochter gleich taten und uns sachte in den Schlaf
schaukeln ließen.
Le Havre
Die Stadt mit dem zweitgrößten Hafen Frankreichs empfing uns mit Regen. Dass Le Havre
nicht unbedingt eine städtebauliche Schönheit ist, war uns klar, aber
nichtsdestotrotz wollten wir die Stadt zumindest kurz erkunden. Zwei
Kirchen schauten wir uns an, die größte, St. Josef mit ihrem
eindrucksvollen Turm in Betonbauweise, ist von innen überraschend schön
und tatsächlich einen Besuch wert. AIDA nimmt auf nahezu keinem Ausflug
Kinder unter 2 Jahren mit (was zum großen Teil auch verständlich ist).
Ursprünglich hatten wir daher einen Ausflug auf eigene Faust mit dem
Linienbus an das andere Ufer der Seine-Mündung in das
Bilderbuch-Fischerdorf Honfleur geplant, aufgrund der Nässe und des
starken Winds haben wir dieses Vorhaben jedoch aufgegeben und alsbald
den kostenlosen Shuttlebus aus der Innenstadt zurück zum Schiff
genommen.
Abends gab es noch die sehenswerte Rock-Show „In the air
tonight“, ein Tribut an Phil Collins und seine Musik. Leider war das die
einzige Show an diesem Abend, und diese fand auch nur mit den Sängern
des Showensembles statt. Die Tänzerinnen und Tänzer waren ab dem zweiten
Tag an Bord wie verschollen. Dies sei aus Krankheitsgründen so, wurde
unter den Passagieren gemunkelt. Okay, das kann passieren. Schade, denn
auf die professionellen Choreografien hatten wir uns sehr gefreut.
Erwähnenswert noch die Darbietung der Bord-Schauspieler „Verheiratet und trotzdem
glücklich“, die in Form eines Motivations-Seminars sehr gekonnt und
humorvoll tiefe Einblicke in die Welt der Ehepaare bot.
„Waiting for morning on the cruise ships deck, 5 miles out of Calais,
tired and cold and wet to the skin, watching the waves and the spray.
Now all I want is dry land and a home in a country that I’ve rarely seen,
to valleys green and cliffs so tall and so white,
I can see the lights of Dover through the night.”
Nach: The Men they couldn’t hang – Dover Lights
Nun, ganz so dramatisch verlief unsere Überfahrt nicht, aber nass bis auf
die Haut konnte man mal wieder werden – britisches Bilderbuchwetter!
Fußläufig in Hafennähe gelegen war die Autovermietung (National Car, 116
Snargate Street), bei der wir unseren Mietwagen schon von Deutschland
aus reserviert hatten. Kleinwagenklasse mit Kindersitz für umgerechnet
gut 50 Euro hatten wir gebucht, bekommen haben wir einen Vauxhall (=
Opel) Meriva Minivan. Hervorragend für Familien! Unser „Gepäck“ wäre
sicher auch in den Kleinwagen gegangen, aber so war es richtig
komfortabel. Nach kurzer Eingewöhnung in die Rechtslenkung ging es auf
in den Linksverkehr der Grafschaft Kent. Nach den ersten zwei Kilometern
und gefühlten zehn zweispurigen Kreisverkehren hatte man sich dran
gewöhnt, und das Sightseeing konnte beginnen. Zunächst führte uns unser
Weg nach Canterbury. Dort angekommen, dachten wir zuerst, Gryffindor,
Slytherin und Hufflepuff seien auf Betriebsausflug, so viele
Schuluniformen waren in der Innenstadt zu sehen. Die Stadt mit der
eindrucksvollen Kathedrale ist das Zentrum der Anglikanischen Kirche,
und entsprechende Bedeutung hat Canterbury als Ausflugsziel. Die
sehenswerten Gassen in der Altstadt hatten es uns auch angetan, der
stolze Eintrittspreis von umgerechnet knapp 12 Euro für die große Kirche
weniger. Stattdessen haben wir das Geld in ein Restaurant getragen und
uns typisch britische Spezialitäten gegönnt, bevor die Reise über das
kleine alte Städtchen Sandwich weiterging nach Deal. Dieser Badeort mit
seiner schönen Seepromenade und der Seebrücke bildete die letzte Station
unserer Entdeckungstour, bevor es wieder nach Dover ging. Nach Rückgabe
des Mietwagens erkundeten wir den wichtigsten Fährhafen Englands noch
ein bisschen zu Fuß und sicherten uns bei deutlicher Wetterbesserung
schöne Ausblicke auf das über der Stadt gelegene Dover Castle, bevor es
zurück zur AIDAluna ging.
Dort gab es am fortgerückten Abend die „Goldfinger“-Show mit allen James-Bond-Titelliedern, wieder nur mit den
Sängern des Showensembles. Trotzdem sehenswert, keine Frage! Etwas
später startete das „Crew meets Band“-Event in der AIDA-Bar. Das kannten
wir von der Bella, dort sangen viele Besatzungsmitglieder, die sonst
nicht in vorderster Front vor den Gästen stehen, zusammen mit der Band
ihre Lieblingslieder: Housekeeping, Küche, Restaurant – da saß nicht
jeder Ton, aber es machte wirklich Spaß, bis weit nach Mitternacht! Auf
der Luna war es nun etwas anders. Zum einen sangen nur fünf oder sechs
Leute, so dass die Show schon um ca. 23 Uhr zu Ende war. Zum anderen
waren darunter die Entertainment-Managerin, der musikalische Leiter an
Bord und Tanzlehrer Oliver. Alles Personen, die die Bühne irgendwie
gewohnt sind und deren Musikalität nicht wirklich überraschte. Warum das
so war? Ich sehe zwei Möglichkeiten: 1. auf der aktuellen Reise ist
niemand sonst an Bord, der dort auftreten kann/möchte, und man hält das
Crew-meets-Band krampfhaft am Leben; 2. AIDA hat versucht, das Event zu
professionalisieren und nur noch Leute auf die Bühne zu lassen, die das
nicht mehr so sehr aufregt. Ersteres wäre Schicksal, letzteres schade,
denn die liebenswert amateurhaften Auftritte – wobei viele überraschend
gut waren! – machten meiner Meinung nach diesen Programmpunkt aus.
Antwerpen
Kurze Nacht, kurze Überfahrt – schon nach gut 60 Seemeilen hat AIDAluna am
frühen Morgen direkt vor der Innenstadt von Antwerpen auf der Schelde
festgemacht. Eigentlich bin ich kein Frühaufsteher, aber
glücklicherweise hielt mich an diesem Tag um 6 Uhr nichts im Bett, und
so bin ich mit der Kamera bewaffnet an Deck und konnte wunderbare Fotos
machen, wie die Luna bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein
(doch, wirklich!) anlegt! Es folgte ein netter Tag in der schönen
belgischen Barockhochburg, die uns zum bummeln und shoppen einlud. Da es
sich am Nachmittag wieder zuzog, das Wetter schlechter und der Wind
stärker wurde, entschieden wir uns schließlich für die Rückkehr zum
Schiff, wo wir das Offiziers-Shaken mitnehmen wollten. Hier werden von
den Offizieren des Club- und Entertainment-Bereichs leckere Cocktails
gemixt und zu günstigen Preisen verkauft. Schon vormittags hatten wir
den Aufbau dafür auf dem Pooldeck gesehen. Aber dort war zur
veranschlagten Zeit – niemand! Auf Nachfrage gab man uns bekannt, dass
das Shaken wegen des schlechten Wetters abgesagt worden war.
Unverständlich, denn das Wetter war nicht so schlecht, als dass man sich
dagegen nicht hätte schützen können. Oder man verlegt die Veranstaltung
einfach nach drinnen? Naja, wie dem auch sei, stattdessen ging es dann
noch mal in den Kids Club.
Eine wichtige Durchsage von der Brücke
fesselte vor dem Abendessen die Aufmerksamkeit aller Passagiere. Der
Kapitän gab bekannt, dass die Windverhältnisse so ungünstig seien, dass
Amsterdam möglicherweise nicht angelaufen werden könne. Noch sei nichts
entschieden, aber die Möglichkeit bestehe, deshalb lud er für 21.15 Uhr
ins Theatrium, wo er weitere Informationen zur Lage geben werde. Während
die Luna Haken schlagend die Westerschelde abwärts Richtung Nordsee
fuhr, wurde in den Restaurants darüber spekuliert, was der Kapitän
nachher wohl zu sagen hätte. Kurze Zeit später wussten wir Bescheid: Für
unser Fahrtgebiet wurden anhaltende Winde bis Stärke 8, in Böen 9
vorhergesagt. Vor hohen Wellen müssten wir nicht allzu viel Angst haben,
so Kapitän Albrecht, da wir relativ dicht unter der Küste führen und
sich dort kein grober Seegang aufbauen werde. Dies belegte er mit Karten
vom Seewetterdienst auf der Videowand im Theatrium, die er gut
verständlich erklärte. Das eigentliche Problem sei die Schleuse, die man
von See kommend zur Einfahrt in den Nordseekanal Richtung Amsterdam
passieren müsse. Diese ließe nur sehr wenig Raum für Manöver, und der
starke Wind, der noch dazu aus einer ungünstigen Richtung kam, hätte
unser Schiff möglicherweise an die Schleusenwand gedrückt und eine
sichere Passage der Schleuse gefährdet. Der Kapitän verglich uns mit dem
berühmtesten deutschen Segelschiff der Gegenwart, der Gorch Fock: deren
2000 Quadratmeter Segelfläche könne man einholen, die 10 000
Quadratmeter Seitenfläche der AIDAluna aber nicht, und gegen die
gewaltige Windkraft könnten auch Schlepper und Querstrahlruder in der
engen Schleuse nichts ausrichten. Da die Sicherheit des Schiffes und
seiner Passagiere und Besatzung Vorrang habe, sei bereits ein Liegeplatz
in Ijmuiden, einem Industrie- und Fährhafen direkt an der Nordsee,
gebucht worden. Ob man diesen benötige, stelle sich aber erst am
nächsten Morgen heraus, dann müsse der Kapitän entscheiden, was weiter
geschieht. Anschließend folgten die Informationen, dass alle über AIDA
gebuchten Ausflüge auch ab Ijmuiden wie geplant stattfinden könnten und
man an einer Lösung für andere Passagiere, die „nur“ Amsterdam erkunden
wollten, noch arbeite. Es werde wohl ein Shuttlebus-System geben.
Wir finden, dass AIDA das gut gemacht hat: ein informierter Passagier ist
ein zufriedener Passagier. So kamen uns denn auch später in den Bars
eigentlich keine Beschwerden zu Ohren, man erwartete den nächsten Morgen
und hoffte, dass es irgendwie nach Amsterdam ging. Nur Schlagernacht
und Poolparty fanden aufgrund des schlechten Wetters leider nicht wie
geplant statt, aber es gab auch so genügend Abendunterhaltung, und
später ließen wir uns von der doch deutlich bewegten Nordsee in den
Amsterdam
Aufgewacht,
Fernbedienung geschnappt, Nautische Daten im iTV-Kabinenfernsehen
gesucht – und resigniert: die aktuelle Windgeschwindigkeit betrug
66kommairgendwas km/h. Ich wusste: das entspricht Windstärke 8 –
stürmischer Wind. Noch vor der Durchsage des Herrn Kap’tän war uns klar:
Die Luna wird in Ijmuiden bleiben müssen. Dies wurde Minuten später von
der Brücke bestätigt, weitere Durchsagen, die Ausflüge und Shuttlebusse
bestreffend, würden folgen. Das taten sie auch. Von den AIDA-Ausflügen
wegen unserem Kleinkind ausgeschlossen (klingt negativer, als es soll –
dient ja auch dem Schutz der Kleinen!), wollten wir einfach nur
Amsterdam erkunden. Der Plan sah Folgendes vor: ein kostenloser
Shuttlebus bringt uns die 4 km vom Liegeplatz zum Bahnhof von Ijmuiden,
von dort geht es mit der Bahn weiter ins gut 20 km entfernte Amsterdam.
Die Kosten für die Bahn werden unter Vorlage der Tickets an der
Rezeption erstattet. Nach dem Frühstück begaben wir uns also auf die
Pier, wo die Shuttlebusse – vier Linienbusse, teilweise Gelenkbusse –
abfahren sollten. Nach Verlassen des Schiffes sahen wir zwei Busse
wegfahren, zwei weitere nahmen Fahrgäste auf, in die wir nicht mehr rein
kamen. Alle vier Busse also unterwegs, 4 km hin, 4 km zurück, das
sollte nicht allzu lange dauern. Dachten wir. Dachten alle, denn es
kamen ja auch immer mehr Leute vom Schiff runter. Und die warteten… 30
Minuten. 60 Minuten. 12 Grad Außentemperatur, stürmischer Wind. Unser
Kind ist nach aufgeregtem Rumflitzen schließlich im Kinderwagen
eingeschlafen, aber das haben nicht alle geschafft. Quengelei ringsum,
von Kindern und übrigens auch Erwachsenen. 90 Minuten. Das Clubteam,
auch unter den Wartenden, sieht sich zunehmend aggressiven Nachfragen
ausgesetzt, befriedigende Antworten bleiben aus. Irgendwann kommt wieder
ein Bus, wir schaffen es, mitzufahren. Was war geschehen? Wie wir
abends bei Gratis-Sekt vom Clubmanager erfuhren, hatte sich ein Bus auf
dem engen Platz vor dem Bahnhof festgefahren. Beim Rangieren halfen –
natürlich – die Fahrer der zwei anderen Busse, die da schon vor Ort
waren. Schon nehmen drei Busse nicht mehr am Shuttleverkehr teil. Der
vierte wurde wegen Überfüllung des Bahnhofs und der Züge zu einer
Schnellfähre umgeleitet, die der Fahrer wohl nicht gefunden hat. Schon
war über laaaange Zeit kein Shuttleverkehr vorhanden. Nicht wirklich die
Schuld von AIDA Cruises. Ein kleines Aber sei hier jedoch angemerkt:
hätte man die vielen Wartenden informiert und evtl. mit einem Getränk
versorgt, für die Kinder die Clubbies rausgeschickt, die auf der Pier
Quatsch machen, dann hätten sich wohl weniger Gäste teilweise sehr
aggressiv aufgeführt. Man berichtete später davon, dass AIDA-Mitarbeiter
gar angespuckt worden seien. Hier ist Fremdschämen angesagt, denn für
den Wind kann keine Reederei der Welt etwas. Auch ein modernes
Kreuzfahrtschiff ist nicht wetterunabhängig. Ich denke, dass hier im
Gegenteil ein eigentlich sehr ordentliches „Krisenmanagement“
stattgefunden hat. Immerhin standen nur ein Abend und eine Nacht zur
Verfügung, um den Transport hunderter Fahrgäste nach Amsterdam zu
organisieren.
Für unseren Bus endete die Fahrt am Anleger der
Schnellfähre in Velsen-Zuid. Ein AIDA-Mitarbeiter übernahm das Mikrofon
des Busses und erklärte, wie es von da weiterging: nämlich zum
Fahrkartenautomaten; dort stand auch ein Mitarbeiter zur Assistenz, der
sofort die richtigen Knöpfe drückte (die Kosten wurden auch für diesen
Transportweg später erstattet). Dann ging es auf die Fähre, die ein
Hydrofoil-Tragflügelboot war und uns in 20 Minuten nach Amsterdam
brachte, der Anleger war direkt am Hauptbahnhof, somit mitten in der
Stadt und nur wenige 100 Meter vom Passagierterminal entfernt, an dem
die Luna eigentlich um 13 Uhr festmachen sollte. Wir verließen die Fähre
um 12.45 Uhr und waren sogar etwas früher in der Stadt, als es
ursprünglich geplant war! Alles gut! An dieser Stelle ist ein Dankeschön
angebracht für alle AIDA-Angestellten, die teilweise eigentlich frei
hatten und den ganzen Tag quasi notfallmäßig für die Gäste zur Verfügung
standen. Auf unserer Rückfahrt stand derselbe Biking Guide noch immer
am Fähranleger in Velsen-Zuid, der uns schon morgens geholfen hatte, und
war nach wie vor freundlich und gab bereitwillig Auskunft. Auch das
Shuttlebussystem hatte sich später stabilisiert, so dass da von keinen
Problemen mehr berichtet wurde. Amsterdam selbst war übrigens durchaus
sehenswert, wenngleich hoffnungslos von Touristen überlaufen.
Zurück auf dem Schiff, genoss unsere frisch gesättigte Tochter das am frühen
Abend noch ziemlich leere Theatrium, flitzte hin und her und klatschte
begeistert Beifall, als der Musikalische Leiter sein zu unrecht nur von
wenig Publikum beachtetes Soloprogramm vorstellte und einen
Irish-Pub-Klassiker nach dem nächsten zum Besten gab.
Ein großes Lob müssen wir noch loswerden: unser Nachwuchs hatte sich im Restaurant an
einer kleinen Glasscherbe in den Finger geschnitten. Sofort kümmerte
sich ein Mitarbeiter nur noch darum, holte umgehend Wunddesinfektion und
alles notwendige Zubehör für einen Fingerverband nebst dem Angebot, uns
sofort zum Hospital zu bringen. Perfekter Ersthelferjob! Glauben Sie
uns, wir sind beide im Gesundheitswesen tätig und können das beurteilen –
besser hätte das kein Profi hinbekommen. Den Mitarbeiter haben wir
zudem an der Rezeption offiziell namentlich belobigt. Man beschwert sich
ja schnell, wenn etwas nicht gut läuft, da kann man auch mal loben,
wenn man zufrieden ist. Die Verletzung war übrigens vollkommen harmlos,
nach wenigen Minuten blutete da nichts mehr und alles war vergessen.
Später am Abend sahen wir die uns schon bekannte „Dancing
Queen“-ABBA-Show und noch später das „Alpenglühen“ in der AIDA-Bar. Mit
dem nächsten Tag brach dann schon der letzte Tag an Bord an. Ein Seetag,
der einen das Schiff noch mal in vollen Zügen genießen ließ!
2. Seetag
Das wichtigste zuerst: wir hatten super Wetter! Blauer Himmel und Sonne!
Über den Tag wurde auch der Wind weniger und die See noch ruhiger, so
dass wir einen schönen Tag an Deck genießen konnten. Zumindest, wenn wir
nicht essen waren
Nach dem Frühstück jedoch gab es noch eine
merkwürdige Begebenheit. Mittlerweile trafen wir regelmäßig zum
Frühstück ein anderes Kleinkind mit seiner Familie, und danach sind wir
einfach noch ins Theatrium gebummelt, wo die Kinder ihrer
Lieblingsbeschäftigung nachgingen: Schifffllitzen! Über die abgesenkte
Bühne hin und her und im Kreis laufen, Treppen hoch, Treppen runter
(natürlich unter unserer „Bewachung“) usw. Dann bauten zwei Damen ein
Laptop auf einem Stehtisch auf dem nicht-beweglichen Bühnenteil auf und
begannen, Werbung für neue AIDA-Reisen zu machen. Nach kurzer Zeit kam
eine der Damen vom Reise Service auf uns zu und meinte, die Kinder
müssten mal weg, sie könnten sich sonst nicht konzentrieren. Wir sind
der Aufforderung natürlich nachgekommen, aber ein bitterer Beigeschmack
bleibt. Dafür entschädigte im Anschluss die nett gemachte Kids Show im
Theatrium, die auch schon die volle Aufmerksamkeit der Kleinsten
fesselte. Danach ging’s zum Mittagessen und dann auf das schon erwähnte
Pooldeck. Herrlich!
Vor dem Abendessen nahmen wir noch den Tanzkurs Wiener Walzer mit, bevor
wir uns beim Farewell-Dinner an Hummer, Torte und zahlreichen anderen
Leckereien gütlich taten. Nachdem unsere Tochter im Bett war (was sie
jeden Abend sehr gut gemacht hat!), genossen wir den Abschiedssekt auf
dem Pooldeck, bevor die Farewell-Show startete. Diesmal waren sie wieder
da, die Tänzerinnen und Tänzer, wenngleich auch in reduzierter Stärke:
da fehlten welche! Welche Krankheit da wohl grassierte...
Pünktlich in aller Herrgottsfrühe liefen wir in Hamburg ein (wieder wurde die
Elbe zu unchristlicher Zeit befahren - schade). Kabine räumen, letztes
Frühstück, ein wirklich herzlicher Abschied vom Bella-Vista-Personal –
schon waren wir runter vom Schiff.
Fazit? Alles in allem eine tolle Woche! Unser Nachwuchs hatte viel Spaß und hat sich wie wir sehr wohl
gefühlt auf der AIDAluna. Mit unserer Einstellung und unseren Vorlieben
konnten wir Gott sei dank keine Kritikpunkte aus den Bewertungsportalen
nachvollziehen – aber das ist natürlich subjektiv. Wer anders gewichtet,
wird andere Meinungen haben. Für uns gilt:
„Groß ist die Sehnsucht
Sie zieht uns raus aufs Meer,
Weit in die Ferne,
AIDA muss ich sehn.
Der Wind ruft unsre Namen:
Es gibt ein Wiedersehen!“
Nach: Santiano – Der Wind ruft meinen Namen