- Offizieller Beitrag
Neapel, Soft, Januar 2005, Wertung *****
Was hatten die Biking-Guides uns nicht alles erzählt über die Tour durch diese Stadt. Hektik, Chaos und völliges Durcheinander sollten dort herrschen, andererseits sollte es aber auch großartig sein. Die Tour selber ist teils einfach, teils anspruchsvoll, es gibt lange Steigungen und steile Abfahrten. Vor dem Verkehr solltet ihr Respekt haben, aber Angst ist völlig unnötig. Die schon oft von mir erwähnte Grundfitness solltet Ihr ebenfalls mitbringen, und dann könnt Ihr starten, zur besten Tour der Woche (ich bin mir noch nicht sicher, aber ich glaube, die Neapel-Tour ist meine neue Nummer zwei, noch vor der Lissabon-Tour.)
Aber von Anfang an. Wir waren nur zu fünft, plus die Guides David und Alex. Der Himmel war wolkenverhangen, sollte es der erste Tag ohne Sonne werden. Als die Tour um 11.30 Uhr startete, riss die Bewölkung auf, die Sonne lugte hervor, und eine halbe Stunde später hatten wir den wärmsten Tag bisher.
Zunächst ging’s aus der Stadt hinaus, und an der Küste entlang pirschten wir uns langsam den Berg hinauf bis wir oberhalb der Stadt waren. Die Steigung war lang aber bequem zu meistern. Grandiose Ausblicke, hinunter auf die Brennenden Felder, oder auf die Stadt Neapel. Andeutungsweise war schon etwas von dem zu erkennen, was uns erwartete.
Eine lange Abfahrt verschaffte uns zunächst etwas Abkühlung und sie führte uns zurück in die Stadt. Wir sahen uns die Galerie Umberto 1 an und machten eine Rast in einem kleinen Café. Der Café Latte war sehr gut, und Mitbiker Fred meinte, die Zeit sei gekommen, Grappa zu trinken. Es wurden dann zwei. Einer im Café und einer solo. Sehenswert in diesem Café war die Toilette. Man muss links hinten vorbei an einem Kühlschrank, fünf Stufen hinab steigen, dabei passiert man einige Vorräte, und dann einfach geradeaus (nicht rechts, bitte, da steht das Gebäck). Die Tür kann man schließen, muss man aber nicht, ich jedenfalls habe mich nicht getraut. Die Spülung bestand aus einem Schlauch, der in der Schüssel hängt, und permanent läuft, das Klo hat außerdem gute Augen, denn die Brille fehlt. Was passiert, wenn hier einer einen ordentlichen 3-Tage-Aida-Buffet-Haufen reindonnert, ist nicht auszudenken.
Dies war einer der Momente, in denen ich zutiefst dankbar bin, als Mann auf die Welt gekommen zu sein. Ansonsten ein sehr liebenswürdiger Ort, der eine Kellner alt, freundlich vergesslich, der andere jung, freundlich und auf der Suche nach einem oder zwei fehlenden Chromosomen.
Frisch gestärkt ging es nun los. David führte uns in das Gewirr der neapolitanischen Gassen. Leute, das war ganz großes Kino! Hinter jeder Ecke wartete eine neue Überraschung auf uns. Die Gassen selber sind nicht breiter als maximal 2 Meter, dafür sind die Häuser 5 oder sechs Stockwerke hoch. An diese Orte dringt kein Sonnenstrahl mehr vor, hier hat sich wohl Karl May für sein „Durch die Schluchten des Balkan“ inspirieren lassen. Aber glaubt nicht, es herrsche hier kein Verkehr. Scooter, Mofas, Autos und sogar Kleintransporter finden ihren Weg hinein, und wohl auch wieder hinaus. Obwohl manche Autos so abenteuerlich und kunstvoll eingeparkt wurden, du glaubst, die wurden direkt nach dem Kauf hier eingeparkt und nie wieder bewegt.
Inmitten dieses Gewirrs aus Ecken, Winkeln, Treppen und Rampen findet man alles: Obst und Gemüse, exklusive Weinläden, eine Autolackiererei neben einer Bäckerei, eine Autowerkstatt mit Lager vor der Türe, und ein Schreiner, der mitten in der Gasse eine Tür schreinert. Hätte er nicht einen Elektrohobel benutzt, es hätte eine Szene aus dem Mittelalter sein können. So ging es hinauf und hinab, linksrum rechtsrum geradeaus und wieder zurück. Irre. Das muss man gesehen haben. Über all dem hing ein Geruch nach Persil, denn kaum ein Balkon kam ohne eine Dekoration mit frisch gewaschener Wäsche aus. Manchmal hängt die Wäsche auch quer über die Gasse, zum Glück immer hoch genug, sie stellt also keine Gefahr für Biker dar.
Nach den Gassen fuhren wir noch zum Dom und zum Palazzo Reale, dann zum Hafen und zurück zum Schiff. Die Autofahrer in Neapel waren auch hektisch, parkten wie sie wollten, und wo kein Auto reingeht, passt immer noch ein Scooter durch, aber sie waren nie so aggressiv wie die Jungs in Palermo. Im Gegenteil, sie blieben meisten entspannt, ließen uns durch, und grüßten.
Die *-Wertung spiegelt meinen persönlichen Eindruck wieder, immer im Vergleich mit den anderen Touren, die ich gefahren bin. Dies soll eine schnelle Einschätzung ermöglichen und ist völlig subjektiv ohne „harte“ Kriterien.