Wie anders ist der romantische Zauber, der über dieser Landschaft liegt. Ein Ton stiller, rührender Klage durchklingt das Ganze wie das Gefühl eines scheidenden Frühlings, eines kurzen Glücks. - Theodor Fontane
10. Juni 2012 – Invergordon
Invergordon zum Dritten – zweimal kamen wir bereits mit einer AIDA an und erlebten bei unserer Ankunft jeweils Regen. An diesem 10. Juni hatte es allerdings geklappt: es war trocken, die Wolken überwogen zwar, doch blauer Himmel und Sonne machten sich breiter und breiter … Die AIDAcara nahm ihren „Weg“ durch den Moray Firth und dann in einem dazu gehörigen Seitenarm, dem Cromarty Firth. Links und rechts der Fjorde dehnten sich ansteigende Weiden und Felder aus. Ab und zu unterbrochen von mehr oder weniger großen Wäldern. Das Spiel der Wolken bestimmte die Farben mit – es war einfach schön, die langsam an uns vorbei gleitende Landschaft in unterschiedlichen Farbtönen zu genießen.
Und schon legten wir an – gegen 8 Uhr. Die Silhouette von Invergordon war nicht gerade anziehend. Hinter netten Häusern ragen einige riesige Öltanks hervor, sicher auch die Reste von Invergordons einstiger Funktion als Öllager der Royal Navy. Seit einiger Zeit ist die Stadt Zentrum für die Reparatur und Wartung von Ölplattformen. Kein Wunder, da die Ölfelder der Nordsee in Reichweite liegen. Bei der Fahrt zum Anlegeplatz sahen wir auch einige dieser Ungetüme – wenn ich mich nicht irre, waren es sechs, die auf Reparatur oder nach Einmottung auf den nächsten Einsatz warteten. Nicht unbedingt ein schöner Anblick wie auch die Plattformen für die Flakgeschütze – Überbleibsel aus dem zweiten Weltkrieg.
Direkt nach dem Anlegen zog uns die Möwe Jonathan – so tauften wir sie frei nach Neill Diamond - in ihren Bann. Sie frühstückte. Nicht von Passagieren zugeworfene Brotkrumen sondern Muscheln, die sicher gesünder und besser für die Möwen waren. Es gab nur ein Problem. Eine Möwe verputzte nicht Muscheln wie Obelix Austern, nämlich mit Schale. Und Jonathan konnte nicht mit einem Nussknacker umgehen. Zumal keiner da war. Aber Jonathan war nicht dumm – Muschel in den Schnabel, einige Meter in die Luft fliegen, Schnabel auf und die Muschel auf den Kai fallen lassen. Dann nachschauen, ob sie an das Fleisch kommt. Wenn ja, guten Appetit. Wenn nein, nochmals die Muschel auf den Kai prallen lassen. Beharrlichkeit führt zum Ziel und macht auch satt …
Àpropos satt – ein kleines Hungergefühl setzte ein und auf ging es zum Frühstück. Da sich die Sonne immer mehr blicken ließ, flohen wir aus dem schon gut besuchten Restaurant und setzten uns an die frische Luft. Ob es nicht ein wenig kühl war? Ja, doch – aber dagegen halfen Fleece-Jacke und einige Tassen heißen Kaffees. Schön war´s – mal anders als bisher. Und wir schauten nicht Richtung Öltanks sondern auf nette, nahe dem Ufer gelegenen kleine Häuser …
Wir ließen uns Zeit beim Frühstück. Denn bereits 2007 und 2010 hatten wir vom Hafen aus zwei von AIDA vermittelte Ausflüge gemacht; die restlichen Angebote sagten uns nicht so richtig zu. Also überlegten wir, was wir an diesem Tag – übrigens wieder mit Elsa und Lothar – machen sollten. Man könnte ganz, ganz ruhig den Tag in Invergordon gammelnd verbringen, alternativ könnte man aus lauter Langeweile mit Zug oder Bus nach Inverness fahren oder man könnte auch sonst ´was machen … Wir legten uns nicht fest, verließen die AIDAcara und das Hafengelände und … schwupps – schräg gegenüber vom Eingang des Hafengeländes wurde uns „sonst ´was“ angeboten. Dort stand ein leerer Bus. Leer, weil er erst um 11.00 Uhr abfahren würde. Aber Fahrer Kenny und Reiseleiterin Nini standen vor dem Bus und boten uns für £ 22,50 p.P. eine knapp siebenstündige Fahrt in die nähere Umgebung an. Uns wurde ein Plan mit Zielen und Planuhrzeiten in die Hand gedrückt und … schwupps … zahlten wir und bekamen unsere Tickets.
Wir hatten noch ein wenig Zeit und beschlossen, uns kurz Invergordon anzuschauen. Vor allen Dingen einige Giebel, die in den Vorjahren von Schülern unter Anleitung von Künstlern mit Gemälden verschönert wurden.
Quasi um die Ecke lockte die ungefähr 150 Jahre alte Church of Scotland. Der Grundstein wurde vom Erzbischof von Canterbury gelegt; übrigens die erste offizielle Amtshandlung eines englischen Erzbischofs in Schottland seit Gründung der presbyterianischen Kirche. In einer Ecke dieser Kirche ist eine Seemannsmission beheimat. Seeleute der in Invergordon anlegenden Schiffe haben die Möglichkeit, via Internet mit ihren Angehörigen Kontakt aufzunehmen. Diese Ecke war gut bevölkert – logisch, dass das phantastische Angebot gerne angenommen wird.
Von der Kirche gingen wir nochmals zum Kai der AIDAcara. Schließlich fehlte uns noch ein Invergordoner Foto unseres Zuhauses … Und auch die Uferlandschaft gegenüber von Invergordon sah nicht schlecht aus …
Und dann war es kurz vor 11 Uhr – rein in den Bus, der sich schnell füllte und zum Schluss nahezu rappelvoll war. Naja, zu diesem Preis – aber es lohnte sich! Wir verließen Invergordon, das Tor zu den Highlands, und fuhren am Cromarty Firth entlang. Es war Ebbe. Schlickfelder begrenzten nun die Förde mit vielen kleineren und auch größeren Felsen. Nein, es waren nicht nur Felsen – es waren auch Seehunde, die sich bei gutem Wetter gerne die Sonne auf den Pelz brennen ließen. Schööööööööööööön …
Nach ca. 45 Minuten erreichten wir Inverness. Nini „entließ“ uns mit der Bitte, gegen 13 Uhr wieder pünktlich an „Bord“ zu sein. Elsa, Lothar und wir zogen los. Die ersten Eindrücke waren nicht schlecht.
Die Stadt Inverness hat ihren Namen von ihrer Lage. Sie wurde an der Mündung des Ness erbaut, was im Gälischen Inverness heißt. Schon St. Columba besuchte die Stadt, um sich von seinem Kampf mit Nessie auszuruhen. Sicher ist auf jeden Fall, dass er die Anstrengungen der Unterhaltungen mit dem Ungeheuer nicht in dem prachtvollen, am Ness gelegenen Hotel vergessen wollte …
Weiter schlenderten wir zur Inverness Cathedral, ein neugotischer Bau, erstellt zwischen 1866 und 1869 und St. Andrew gewidmet. Was sagte wohl St. Columba dazu … sollen beide sich hoch droben darüber auseinandersetzen! Wir überquerten die Ness Bridge und stiegen neben dem Inverness Museum unzählige Stufen nach oben und standen dann vor dem Inverness Castle. Schon im 12. Jahrhundert stand dort ein Schloss, das während des zweiten Jakobitenaufstands 1746 zerstört wurde. 1834 wurde auf derselben Stelle das jetzige Schloss im viktorianischen Stil errichtet. Natürlich ist dort heute nicht die Königin beheimatet – die Räumlichkeiten werden als Verwaltung, insbes. als Gericht genutzt. Vom Vorplatz kann man einen schönen Ausblick auf den River Ness und Inverness genießen. Wir taten dieses ausgiebig, zumal die Sonne schien. Schottische Sonne, so, wie wir es bisher nicht gewohnt waren. Nun ging es wieder nach unten. Vorbei an älteren kleinen Einzelhandelsgeschäften an der Castle Street führte unser Weg in die Innenstadt und auf einmal standen wir vor „The Caledonian“, ein schmuckes Gebäude, das man für private Feiern mieten kann. Preise standen natürlich nicht im Aushang. Sie waren uns aber sowieso egal, denn Tag und Abend waren voll verplant!
Nicht weit entfernt war der Victorian Market. Klar, dass wir ihn aufsuchen mussten. Na ja, ganz nett, aber nicht so vielfältig und voller Leben wie der English Market in Cork.
Ein Blick auf die Uhr – es war allmählich Zeit, den Bus wieder anzusteuern. Die St. Mary´s Church auf dem gegenüber liegenden Ufer fiel ins Auge, 1837 im neugotischen Stil erbaut als erstes katholisches Gotteshaus nach der Reformation in Inverness.
Nur der Ness musste noch überquert werden – für uns ging es über die Greig Street Bridge und nach wenigen Metern saßen wir wieder im Bus, der pünktlich mit allen Passagieren an Bord abfuhr. Schnell verließen wir Inverness und es begann eine sehr beeindruckende Landschaftsfahrt, zunächst in etwa parallel zum River Ness. Die Straße war anfangs recht breit, sie wurde enger, mitunter war sie einspurig. Für Kenny und auch die wenigen entgegenkommenden Autos kein Problem, denn es waren genügend Ausweichbuchten vorhanden. Was gab es zu sehen? Natur pur in Form von kleineren Wäldern, Weiden, Lochs, in Blüte stehenden unzähligen Ginsterbüschen, alles insgesamt farbenfroh. Wenn wir an einzelnen Höfen oder Kleinsiedlungen vorbei kamen, sahen wir neben den liebevoll gepflegten Blumengärten das frische, nuancenreiche Grün der Weiden, Sträucher und auch vereinzelten Wälder, daneben auch größere Farbflecken durch immer wieder auftauchenden blühenden Ginster und Fuchsienhecken. Einfach ein Traum. Kein Wunder, dass die Highlands zum Hochgefühl führten …
Viele hätten gerne größere Waldflächen gesehen. Dass in den Highlands keine existierten, verdankte man Elisabeth I. Sie verfügte seinerzeit, dass englische Schiffe nur aus englischem Holz gebaut werden durften. Zum Eisenschmelzen benötigte man Holzkohle. Natürlich nicht aus englischem Holz. Das brauchte man schließlich für die Schiffe. Sondern aus den Wäldern der Highlands, die nahezu restlos abgeholzt wurden, auch unrühmlich unterstützt von gierigen Kaufleuten aus den Lowlands – es war eben eine andere Welt, die leider auch eine andere Landschaft schuf … Trotzdem – schön war´s!
Ab und zu sahen wir an „Backbordseite“ das Loch Ness, doch genauso oft versperrten Hügel den Blick. Kurz vor dem westlichen Ende von Loch Ness, ca. 8 km vor Fort Augustus, machten wir am Suidhe Viewpoint eine längere Pause. Die Aussicht war großartig. Man spürte die endlose Weite. Das viele Grün – gefördert vom schottischen, immer wiederkehrenden Regen – beruhigte. Ein Spiel zwischen Farben, Licht und Wolken. Eine hügelige Landschaft, ansteigend zum Bergrücken der Monadhliath Mountains. Riesige Heideflächen – wie toll mag es zur Blütezeit aussehen … In der Ferne eines der zahlreichen Lochs mit bewaldeten Ufern. Die Straße buckelig und schnurgerade. Einfach toll. Und wie immer zu wenig Zeit zum ausgiebigen Genießen! Also – weiter bis zum nächsten Stopp in Fort Augustus am westlichen Ende von Loch Ness.
Dieser kleine Ort mit ca. 500 Einwohnern ist nach der gleichnamigen Festung benannt, die wiederum ihren Namen von William Augustus, Duke of Cumberland hat. Den Schotten ist er eher als Schlächter von Culloden bekannt. Aus dem Süden kommende Touristen – entweder per Boot über den Kaledonischen Kanal oder auf dem Landweg – bevölkern in der Saison Fort Augustus. Die über den Kanalweg Kommenden haben hier einen Zwangsaufenthalt, denn sie müssen vom zulaufenden Kanal via fünf Schleusen ins Loch Ness entlassen werden.
Während des ca. halbstündigen Aufenthalts spazierten wir den Kanal entlang zum Beginn des Loch Ness, später beobachteten wir die Ein- und Ausschleusung. Ins Auge fiel auch die schottische Blumenpracht – so z.B. der abgebildete Rhododendron.
Wie immer viel zu schnell mussten wir uns von den Blumen und dem Kanal lösen – wir fuhren weiter, nunmehr in nächster Reichweite des berühmten Loch Ness. Kein anderer als St. Columba hatte schon das Vergnügen, Nessie kennen zu lernen! Im Jahre 565 kam er von Irland nach Schottland. Er wollte nichts als missionieren. Doch das war nicht einfach, denn wenn er Schotten zu seinem Glauben bekehren wollte, musste er den Clanchief überzeugen. Verdammt hart. Da kam ihm ein Zufall zu Hilfe. Als er den damals noch nicht als Loch Ness bekannten See erreichte, hatte gerade ein Seeungeheuer einen Anwohner angefallen und dem Heidentode zugeführt. Als St. Columba (damals auch noch nicht Saint) dieses bemerkte, bat er einen seiner Anhänger, ans andere Ufer zu schwimmen. Und was geschah? Nessie kam und freute sich auf das nächste Opfer. St. Columba sah Nessie, schrie das Ungeheuer an: „Komm´ nicht näher, lass den Mann in Ruhe! Schleich di (oder so ähnlich …)!“Nessie gehorchte, St. Columba beeindruckte den anwesenden Clanchief, der sich schnellstens taufen ließ … Nicht nur er … Schottland war nunmehr in der Hand der katholischen Kirche …
Beim nächsten Halt am Urquhart Castle lag Loch Ness in voller Pracht vor uns – nicht sehr breit, dafür aber lang, umrandet von Hügeln, nicht unnahbar, sondern aufgrund des Wetters freundlich: Kommt ´runter – besucht mich! Es ging leider nicht, denn wir hatten lediglich 15 Minuten Zeit, einen Blick auf den See zu werfen und natürlich zu fotografieren. Es hieß ja auch Fotostopp … Unter uns lag Urquhart Castle, welches im 13. Jahrhundert als königliche Festung erbaut worden war. Mehrmals wechselten die Bewohner nach hartem Kampf. Mal waren es die Schotten, mal waren es die Engländer. Zum Schluss die Engländer, die die Festung 1692 in die Luft sprengten, damit sie nicht den Jakobiten in die Hände fallen konnte. Seitdem tat sich dort nichts mehr. Doch als man merkte, dass es ein Touristenmagnet werden könnte, wurden die Ruinen aufgeräumt, die nähere Umgebung mit (fast) englischem Rasen versehen und eingezäunt. Dazu wurde noch ein weitgehend unterirdisches Besucherzentrum mit Souvenirläden, Café und Multimediashow errichtet. Lohnenswert ist es, den Turm zu besteigen. Der Blick von oben auf die Anlage und das Loch entschädigt die Mühe, lange anzustehen und sich durch Touristenscharen zu drängen (Erfahrung unseres ersten Besuches …).
Die Zeit lief allen – Kenny, Nini und den Passagieren – davon.Also weiter. Kurz hinter Urquhart Castle verließen wir Loch Ness und fuhren über Land. Ungefähr eine Dreiviertelstunde bis wir wieder den Cromarty Firth erreichten. Eine kurze Fahrt am Ufer entlang, dann überquerte der Bus den Cromarty Firth und wir kamen pünktlich – wie im Zeitplan vorgesehen – kurz vor 17.00 Uhr am Admirals Pier an. Rauf auf die AIDAcara, Rucksack in der Kabine ablegen und schnell nach oben. Denn für 17.00 Uhr war ein Auftritt einer schottischen Tanzgruppe incl. Akkordeon- und Dudelsackspieler avisiert. Rappelvoll war es – doch es gab immer wieder Lücken, so dass wir die Truppe gut beobachten und fotografieren konnten. Als zum Schluss unsere schottischen Freundinnen und Freunde „Auld Lang Syne“ (Nehmt Abschied, Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr …) sangen und spielten, kam das bekannte Gänsehautgefühl …
Und damit nicht genug. Kurz nachdem die Gruppe die AIDAcara verlassen hatten, wurden wir vom Kai aus gebührend verabschiedet: Lange spielte die Dudelsackgruppe, wir winkten mit einer schottischen Flagge, fuhren langsam aus Cromarty und Moray Firth und erreichten die offene Nordsee. Auf ging es in Richtung Osten. Und wir gingen in das Markt Restaurant, wo uns zur Einstimmung auf den nächsten Hafen „Skandinavische Impressionen“ erwarteten. Wir zogen sie den „Mediterranen Highlights“ des Calypso vor – schließlich gab es an diesem Tag genügend Highlights …
21. Juni 2012 – Seetag
Dieser Tag verlief unspektakulär. Frühstück, frische Luft schnappen, Mittagessen in Form des Poolbrunch´, frische Luft schnappen, den ersten Koffer packen (so´n Mist!), Kaffee trinken, frische Luft schnappen, dabei eine Flasche AIDA Prestige Cuvee köpfen Abendessen. Und nun kam der zweite Druck des Tages (nach dem Packen) auf uns zu: wohin sollten wir gehen? Ins Markt Restaurant zum Thema „USA“ oder ins Calypso, wo „Outback“ angeboten wurde? Logisch, es lief auf einen Kompromiss hinaus: wir wählten beide Restaurants … Und der Kompromiss hatte sich gelohnt. Beides war vorzüglich!
Früh rief die Koje, denn am nächsten Tag wollten wir nicht das Einlaufen durch die Schären vor Göteborg verpassen …